Sitzordnung im Klassenzimmer – wie viel Freiraum ist sinnvoll?

Sitzordnung im Klassenzimmer – wie viel Freiraum ist sinnvoll?

Freie Sitzplatzwahl der Kinder, als Lehrperson alles vorgeben – oder doch einen Mittelweg finden? Bald startet das neue Schuljahr und die Lehrpersonen stehen vor vielen Entscheidungen. Unter anderem sorgen die Sitzplätze im Klassenzimmer für Kopfzerbrechen. Das Churermodell schafft da vermeintlich Abhilfe – alle Kinder sollen ihren Sitzplatz selbst wählen. Doch: Dieses Vorgehen kann neue Probleme schaffen. Wir zeigen, wie die Kinder schrittweise an die freie Sitzplatzwahl herangeführt werden.

Die Sitzordnung im Klassenzimmer beschäftigt uns Lehrpersonen, denn sie kann die Lernatmosphäre entscheidend beeinflussen. Und das Thema ist besonders aktuell: Wenn wir neue Klassen übernehmen und die Kinder noch nicht kennen, ist es noch schwerer zu entscheiden, welches Kind an welchem Platz sitzt. Das Churermodell schafft da Abhilfe. Die Kinder sollen völlig frei entscheiden, wo sie sitzen. Doch dieses Vorgehen ist kaum zielführend. Wir empfehlen deshalb eine schrittweise Einführung der freien Sitzplatzwahl aus folgenden Gründen:

Entwicklung von Selbstregulationsfähigkeiten
Die Kinder lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und Entscheidungen zu treffen, die sie in ihrem Lernerfolg unterstützen. Eine schrittweise Einführung der freien Sitzplatzwahl gibt ihnen die Zeit, diese zu entwickeln – ohne sie zu überfordern.

Struktur und Sicherheit
Ein Klassenzimmer – besonders am Anfang des Schuljahres – sorgt für ganz viele neue Eindrücke bei den Schülerinnen und Schülern. Deshalb benötigen besonders jüngere Kinder eine klare Struktur und feste Abläufe, um sich sicher zu fühlen und sich konzentrieren zu können. Ein fester Sitzplatz schafft Routine.

Soziale Dynamiken
Kinder werden von ihren Freundschaften beeinflusst. Wenn sie sofort ihre Plätze frei wählen dürfen, kann das dazu führen, dass sie den Fokus auf die soziale Interaktion legen, statt auf ihr Lernen. Eine langsame Einführung kann helfen, diese Ablenkung zu minimieren.

Selbstreflexion und Anpassung
Kinder benötigen Zeit, um zu entdecken, welche Umgebung für sie am besten geeignet ist. Durch eine stufenweise Einführung können sie verschiedene Plätze ausprobieren und so herausfinden, wo sie am produktivsten arbeiten.

Verantwortung übernehmen
Mit einer schrittweisen Einführung der freien Platzwahl lernen die Kinder, immer mehr Verantwortung zu übernehmen. Sie lernen, dass ihre Entscheidungen Konsequenzen mit sich bringen und dass sie Verantwortung für ihre Lernumgebung übernehmen dürfen.

 

Wir empfehlen aus diesen Gründen eine schrittweise Einführung der freien Platzwahl. Folgende vier Schritte führen die Klasse an die freie Sitzplatzwahl heran.

Schritt 1: Einführung und Beobachtung
Ziel dieser Phase ist es, Vertrauen zum eigenen Sitzplatz zu fassen und die Strukturen im Klassenzimmer kennenzulernen.

In dieser Phase haben die Schülerinnen und Schüler feste Sitzplätze, die die Lehrperson zuweist. Die klaren Strukturen geben ihnen Sicherheit – das ist besonders am Anfang des Schuljahres entscheidend. Die Lehrperson beobachtet die Klasse und lernt die Schülerinnen und Schüler mit ihren individuellen Bedürfnissen kennen. So lernt sie auch, die sozialen Dynamiken zu verstehen.

Zum Abschluss der ersten Phase führt die Lehrperson mit den Schülerinnen und Schülern Gespräche, um ihre Bedürfnisse zu verstehen und ein Bewusstsein für die Lernumgebung zu schaffen.

Schritt 2: Teilweise Flexibilität
Ziel dieser Phase ist es, erste Erfahrungen mit der flexiblen Sitzplatzwahl zu machen.

In dieser Phase dürfen die Kinder in gewissen Unterrichtsstunden oder bei bestimmten Aktivitäten (z.B. Gruppenarbeiten) ihre Sitzplätze innerhalb eines definierten Bereichs selbst wählen.

Zum Abschluss dieser Phase werden die Schülerinnen und Schüler ermutigt, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Welche Plätze helfen ihnen, sich besser zu konzentrieren? Wo werden sie abgelenkt? Basierend auf diesem Feedback und den eigenen Beobachtungen kann die Lehrperson gezielt Anpassungen vornehmen.

Schritt 3: Erweiterte Flexibilität
Ziel dieser Phase ist es, die Entscheidungsfähigkeit und Selbstregulation zu stärken.

In dieser Phase dürfen die Kinder an bestimmten Tagen oder während bestimmter Lektionenihre Sitzplätze frei wählen. Sie haben nun mehr Entscheidungsspielraum. Um zu reflektieren, führen die Schülerinnen und Schüler ein Lernjournal, in dem sie festhalten, welche Sitzplätze sie gewählt haben und wie diese Wahl ihr Lernen beeinflusst. In dieser Phase legt die Lehrperson klare Regeln fest und kommuniziert ihre Erwartungen, um sicherzustellen, dass die freie Sitzplatzwahl das Lernen fördert.

Schritt 4: Freie Sitzplatzwahl
Jetzt dürfen die Schülerinnen und Schüler ihre Plätze frei wählen. Die Lehrperson unterstützt sie weiterhin durch Reflexion und Feedback. Die Klasse teilt in regelmässigen Sitzungen ihre Erfahrungen mit und diskutiert, wie sie ihre Lernumgebung optimal gestalten kann. Die Lehrperson bietet weiterhin ihre Unterstützung an, damit die Schülerinnen und Schüler stets die besten Entscheidungen für den Lernerfolg treffen.

 

Hast du ebenfalls Erfahrungen mit der freien Sitzplatzwahl gemacht? Dann freue ich mich auf den Austausch in den Kommentaren.

 

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